Diätologin Nina Kienreich

Ernährung | Yoga | Hormongesundheit

Wie Stress das weibliche Hormonsystem beeinflusst - und was du dagegen tun kannst

7. März 2023

Stress Hormonsystem

7. März 2023 | FRAUENGESUNDHEIT

In der heutigen Welt, in der wir ständig in Eile sind und schlechte Nachrichten auf der Tagesordnung stehen, ist Stress leider oft unvermeidlich. Andererseits wissen wir mittlerweile, dass chronischer Stress ungesund ist. Besonders das weibliche Hormonsystem reagiert auf Stressbelastungen sehr störungsanfällig. Anlässlich des Weltfrauentags am 08. März möchte ich in diesem Blogbeitrag die Zusammenhänge näher beleuchten.

Darum geht es in diesem Blogartikel:

  • Es war einmal eine Frau

  • An der richtigen Stelle ansetzen

  • Wie unser Hormonsystem funktioniert

  • Anspannung und Entspannung und ihr Einfluss aufs Hormonsystem

  • Dauerstress bringt Hormone aus der Balance

    • Stresshormone und Zyklusgesundheit

    • Stresshormone und Schilddrüse

    • Stresshormone und Körpergewicht

  • Was du sofort für deine Hormongesundheit tun kannst

Es war einmal eine Frau

Sie war Mitte dreißig und hatte einen anspruchsvollen, aber erfüllenden Job, bei dem sie vielen Menschen helfen konnte. Auch privat war sie vielfältig interessiert, konnte reisen und ihren zahlreichen Hobbies nachgehen.

Langeweile kannte sie nicht – mehr noch: ihre Tage waren mehr als ausgefüllt. Dass sich manche Dinge nur schwer ausgingen, veranlasste sie nur dazu, noch effizienter zu werden und sich selbst zu optimieren.

Als ihr Kinderwunsch immer stärker wurde, setzte sie die hormonelle Verhütung ab. Und musste feststellen, dass ihr Körper trotz vermeintlich gesundem Lebensstil – sie hatte nie geraucht, über Jahre auf ihr Gewicht geachtet, „gesund“ gegessen und immer sportlich trainiert – offenbar doch nicht so gesund war.

Denn die Periode ließ Monat für Monat auf sich warten. Dafür litt sie immer mehr unter Erschöpfung, schleichender Gewichtszunahme, Verdauungsproblemen und Stimmungsschwankungen.

Die ärztliche Abklärung war ernüchternd: Es wurde eine Hypothalamische Amenorrhö (d.h. Ausbleiben der Periode aufgrund von Stress, übermäßiger Bewegung und zu wenig Energiezufuhr) diagnostiziert. Die Therapie: Überweisung zur Kinderwunschklinik, mehr essen und weniger Stress.

An der richtigen Stelle ansetzen

Diese Frau in dieser Geschichte, die war ich. Es hat Mut gekostet, darüber zu schreiben. Aber ich möchte anderen Frauen mit ähnlichen hormonellen Problemen die Umwege ersparen, die ich gemacht habe (die ganze Geschichte liest du in meinem Gespräch mit Kinderwunsch-Expertin Monika Kristan)

Weil ich trotz Studium im Gesundheitsbereich die Zusammenhänge zwischen Stress, Hormonproblemen und Gewichtssorgen nicht verstanden habe, habe ich viel Geld für Nahrungsergänzung, Diäten oder Hormontherapien ausgegeben. Denn diese bekämpfen wiederum nur Symptome, beheben aber nicht die Ursache der hormonellen Schieflage, nämlich die Folgen einer chronischen Stressbelastung. Viel effektiver ist es also, direkt bei der Entspannung anzusetzen.

Wie unser Hormonsystem funktioniert

Hormone sind chemische Botenstoffe, die eng mit unserem Nervensystem zusammenarbeiten, damit wir uns jederzeit an unsere Lebensbedingungen anpassen können. Sie steuern u.a. unsere Libido, unseren Stoffwechsel, unsere Nahrungsaufnahme, unsere Verdauung und unsere Stimmung.

Für die Produktion sind endokrine Drüsen zuständig, z.B. der Hypothalamus, die Hypophyse, die Zirbeldrüse, die Schilddrüse, die Nebennieren oder die Eierstöcke. Über das Blut werden sie im Körper verteilt, bis sie an ihren Zielzellen andocken wie ein Schlüssel ins passende Schloss.

Viele Hormone haben einen Gegenspieler, sodass ihre Wirkung fein dosiert werden kann. Daher müssen die Hormondrüsen auch eng miteinander kommunizieren. Der „Chef“ ist der im Zwischenhirn sitzende Hypothalamus, der der darunter liegenden Hypophyse Aufträge für die Produktion erteilt. Die Hypophyse gibt diese an die Hormondrüsen weiter.

Der Hypothalamus bekommt permanent Rückmeldung über die aktuellen Hormonspiegel und passt den Bedarf ständig an. Er prüft aber auch über das Nervensystem unsere Lebensumgebung und reagiert darauf.

Anspannung und Entspannung und ihr Einfluss aufs Hormonsystem

Das Nervensystem besteht aus zwei gleichberechtigten Gegenspielern: dem Sympathikus, der für Aktivität und Reaktion auf Stress zuständig ist, und dem beruhigenden Parasympathikus.

Sind wir sehr angespannt, ist der Sympathikus aktiv. Er löst einen Stressreaktion aus, um das Überleben zu sichern. Die Nebennieren schütten die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin aus. Der Blutfluss wird weg von den Verdauungs- und Fortpflanzungsorganen hin zur Skelettmuskulatur gelenkt.

Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen, Herz und Atmung werden schneller und die Pupillen geweitet. Dadurch sind wir leistungsfähig und sehr konzentriert, um es mit unseren Gegnern aufzunehmen oder zu fliehen („Fight or Flight“).

Diese akute Stressantwort dauert nur etwa 10 Minuten an, denn dann sind die Energiereserven aufgebraucht. D.H. nach spätestens 10 Minuten sollten wir unser Problem gelöst haben. Entspannung tritt ein und Glückshormone werden ausgeschüttet. Dafür sorgt der Parasympathikus, der für Erholung und Regeneration zuständig ist und den Abbau von Stresshormonen ermöglicht.

Dauert die Stressbelastung allerdings länger als 10 Minuten an, im schlimmsten Fall Wochen und Monate, so reagiert unser Körper auf eine völlig andere Weise, die unser Hormonsystem empfindlich stören kann.

Dauerstress bringt Hormone aus der Balance

Leider besteht unser Alltag heute meist nicht aus seltenen „Schrecksekunden“, sondern aus unzähligen Stresssituationen, die sich aneinanderreihen oder sogar überlagern: endlose To-Do-Listen, Termine, Job, Haushalt, Kindererziehung, Social Media, Partnerschaft, Sportkurse und Diäten wollen schließlich unter einen Hut gebracht werden.

Und wenn es gerade nicht der Stress von außen ist, machen wir uns selbst Stress: durch schlechtes Gewissen beim Naschen, überkritische Blicke in den Spiegel, das Gefühl, es allen recht machen zu müssen, Perfektionismus, Selbstzweifel, Ängste und und und.

In dieser Situation wird anstelle von Adrenalin von den Nebennieren mehr und mehr vom Stresshormon Cortisol ausschüttet. Cortisol sorgt normalerweise dafür, dass wir tagsüber konzentriert und leistungsfähig sind. Morgens sind die Cortisolspiegel demnach am höchsten und sinken im Tagesverlauf mit leichten Schwankungen immer weiter ab, damit abends unser Schlafhormon Melatonin dafür sorgen kann, dass wir müde werden.

Geraten wir aber in den Überlebensmodus, fährt der Körper unter dem Cortisoleinfluss alle nicht lebenswichtigen Vorgänge herunter. Andere Hormondrüsen, die zu viel Energie verbrauchen und nicht überlebensnotwendig sind, werden in ihren Funktion eingeschränkt.

Die Folgen spüren wir so: Blutzucker- und Insulinspiegel erhöhen sich, die Eierstöcke produzieren weniger Fortpflanzungshormone, die Schilddrüsenfunktion wird gedrosselt und der Stoffwechsel wird langsamer. Ärzt*innen stellen dann Diagnosen wie Amenorrhoe, Dysmenorrhoe, Prämenstruelles Syndrom (PMS) oder Hypothyreose oder verschreiben Medikamente gegen Wechseljahrsbeschwerden.

Stresshormone und Zyklusgesundheit

Da unser Körper unter dem Einfluss von Stresshormonen annimmt, dass Nahrung knapp ist, soll es zu keiner Schwangerschaft kommen. Also bildet der Körper bildet weniger Sexualhormone und wir haben weniger Lust auf Sex. Es kommt zu Zyklen ohne Eisprung, die wiederum zu einem Progesteronmangel führen.

Ein relativer Östrogenüberschüss ist die Folge. Und dieser führt wiederum zu Zyklusbeschwerden, Wassereinlagerungen, prämenstrueller Gewichtszunahme und im schlimmsten Fall zu Unfruchtbarkeit.

Stresshormone und Schilddrüse

Die Schilddrüse sorgt dafür, dass jede einzelne Zelle im Körper Energie erzeugt. Sie reguliert damit Grundumsatz und Körpertemperatur. Weiters unterstützt sie das Zellwachstum von Haaren, Nägeln, Knochen und Haut und ist an der Regulation von Verdauung und Fortpflanzung beteiligt. Und was die wenigsten wissen: Da sie auch den Stoffwechsel der Nervenzellen reguliert, bestimmt sie auch über unsere Stimmung und Psyche mit.

Um den Energieverbrauch zu senken, wird bei chronischem Stress auch die Funktion der Schilddrüse und somit die Stoffwechselaktivität gedrosselt. Betroffene fühlen sich müde und antriebslos, frieren leicht, leiden unter Hautproblemen oder träger Verdauung und nehmen aus heiterem Himmel zu.

Stresshormone und Körpergewicht

Da uns unser Körper im Überlebensmodus eine möglichst gute Energieversorgung ermöglichen möchte, wirkt chronischer Stress auch appetitanregend und fördert Heißhunger-Attacken. Unser Körper schickt uns auf Nahrungssuche und sorgt dafür, dass wir gerade von energie-, zucker- und fettreichen Nahrungsmitteln wie Pizza, Chips, Schokolade oder Kuchen magisch angezogen werden.

Obendrein belohnt uns unser Gehirn bei dieser Nahrungsauswahl auch noch mit besonders vielen Glückshormonen. Wir lernen somit, uns mit diesen Lebensmitteln (so genannten Comfort Foods) zu trösten, Stress zu lindern und Emotionen zu regulieren. Je öfter dieser Mechanismus zum Erfolg führt, desto mehr neigen wir zu unkontrolliertem und suchtartigem Essverhalten – das Gewicht steigt zusätzlich (mehr dazu unter "Stress und dein Essverhalten").

Wichtig ist mir zu betonen: Nicht das Mehrgewicht selbst ist ungesund – sondern der stressgetriebene Mechanismus, der hinter der Gewichtszunahme steckt (siehe auch in meinem Blogartikel "Gewichtsnormative in der Medizin").

Und der sieht so aus: Bei Langzeitstress wird im Baubereich besonders viel Fett gespeichert, denn diese Fettzellen besitzen viermal mehr Cortisolrezeptoren als andere Körperbereiche. Das ungeliebte Bauchfett ist aber nicht nur optisch unerwünscht. Es produziert selbst ca. 200 Botenstoffe wie Entzündungsmediatoren, die wiederum eine Zunahme von Körperfett und Entzündungen im Körper fördern.

Was du sofort für deine Hormongesundheit tun kannst

Mein Arzt hatte damals nach meiner Diagnose nicht unrecht, als er mir riet: „Essen Sie mehr und reduzieren Sie Ihren Stress“. Nur leider erklärte er mir nicht, wie ich das genau anstellen sollte. Und so protestierte mein innerer Antreiber laut: „Du wirst fett und faul werden“. Und ich ging zunächst erfolglos den Umweg über einschränkende „Hormondiäten“ und schachtelweise Nahrungsergänzungsmittel.

Mit folgenden Tipps setzt du aber direkt bei der Ursache deiner Beschwerden an:

Vergiss Diäten zu Gewichtsreduktion!

Ich weiß, es ist schwer, seinem Körper wieder zu vertrauen und zu essen, wenn man Hunger verspürt. Aber mit dem Wissen über die Zusammenhänge gelingt es dir vielleicht leichter, deinen Körper mit genug Energie zu versorgen, damit er nicht mit einer selbst herbeigeführten „Hungersnot“ zusätzlich in den Überlebensmodus getrieben wird.

Lerne, dein Nervensystem zu beruhigen

Zugegeben: Als unruhiger und leistungsmotivierter Mensch war es für mich extrem schwierig, mich auf Entspannungstechniken und Meditation einzulassen. Meine Devise war „Yoga? Ja gerne, aber nur wenn ich am Ende dabei ordentlich schwitze und Muskelkater habe“. Mit viel Übung habe ich gelernt, mir auch ruhige Momente zu gönnen und auch einmal nichts zu tun. Es dauert, bis du den Unterschied in deiner Gesundheit spürst. Aber ich bin mir sicher, es macht letztlich den Unterschied!

Bringe deinen Tag-Nacht-Rhythmus in Ordnung

Leistungsmenschen und Frauen, die viel für andere da sind, neigen dazu, ihre Tage immer weiter in die Nacht auszudehnen. Sie versuchen, mit immer weniger Schlaf auszukommen und sich tagsüber dafür mit Kaffee, Adrenalin und Zucker aus Energielöchern heraus zu pushen. Das kenne ich nur zu gut. Dennoch: Ausreichend Schlaf (und das heißt nicht für jeden genau 8 Stunden) ist die Grundlage, um den Drang nach Genussmitteln und Heißhunger erfolgreich hinter sich zu lassen.

Bewege dich hormonfreundlich und mit Freude

Viele Menschen treiben Sport einzig und allein mit dem Ziel, Kalorien zu verbrennen. Wieder andere folgen ständig dem Leistungsgedanken. Beides ist auf Dauer weder gesund noch motivierend. Versuche einmal folgende Sichtweise: Wie wäre es, wenn du dich bewegst, weil es dir Spaß macht, deinen Stresslevel senkt und dir Glückshormone beschert? Dafür geeignete Bewegungsformen sind z.B. Spaziergänge in der Natur, Hormonyoga bzw. Feminine Yoga oder Tanz. Und wenn du die Intensität an deinen Zyklus und dein aktuelles Energieniveau anpasst, dann trainierst du ganz besonders hormonfreundlich.

Fülle deine Nährstoffreserven auf

Nährstoffreich essen heißt nicht, teure Superfoods oder Nahrungsergänzungsmittel zu kaufen. Die einfache Formel lautet: abwechslungsreich (am besten jeden Tag alle Farben des Regenbogens) und möglichst wenig industriell Verarbeitetes essen. Und bevor du auf Verdacht zu kostspieligen Präparaten greifst, lasse dir von Risikonährstoffe im Blut checken und dich von Expert*innen auf dem Gebiet (Diätolog*innen, Ernährungswissenschaftler*innen oder ernährungsmedizinisch ausgebildete Ärzt*innen) beraten. Das Geld, das du dafür investierst, sparst du dir hinterher, wenn du nicht zahlreiche Produkte „auf Verdacht“ einnimmst.

Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Artikel zu einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge im Hormonhaushalt verhelfen. Damit du keine frustrierenden und teuren Umwege gehen musst, nehme ich dich gerne an der Hand.

Ich zeige dir, wie du Schritt für Schritt Frieden mit deinem Körper und deinem Essverhalten schließen kannst, ohne dich vor einer endlosen Gewichtszunahme zu fürchten. Wie du auch als „Unruhegeist“ Entspannung erlernen und alltagstauglich umsetzen kannst und mit welchen Ernährungsmaßnahmen du deinen Körper wirklich dabei unterstützt, wieder ins Gleichgewicht zu finden.