Essverhalten ändern durch Stressmanagement
19. April 2022
14.April 2022 | ESSVERHALTEN
Du bist vielleicht schon länger mit deinem Essverhalten unzufrieden und jetzt an einem Punkt angekommen, wo du endlich deine Ernährung komplett umstellen möchtest. Voller Motivation saugst du alle Ernährungstipps auf und versuchst, sie auch sofort umzusetzen. Irgendwie muss das neben Job, Familie, Freunden, Sport, Weiterbildung etc. doch zu schaffen sein. Und wenn das Vorhaben scheitert, dann bist du in deinen Augen zu undiszipliniert, suchst nach Lebensmitteln, die dein Körper nicht verträgt oder probierst den nächsten Ernährungsratschlag aus.
Mittlerweile bin ich davon überzeugt: Solange du im Hamsterrad rennst, wird eine Ernährungsumstellung nicht dauerhaft erfolgreich sein. Im Gegenteil: jeder Versuch bringt dich noch tiefer in eine Spirale aus Stress, Unzufriedenheit und Selbstzweifel. Kümmere dich also zuerst um dein Stressmanagement, bevor du an deiner Ernährung schraubst. Bist du ausgeglichener und ruhiger, verschwindet so manche ungeliebte Angewohnheit ganz von selbst.
Darum geht es in diesem Blogpost:
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Diätolog*innen essen besser – oder doch nicht?
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Wie Stress dein Essverhalten beeinflusst
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Wege aus der Stressesser-Falle
Diätolog*innen essen besser – oder doch nicht?
Als Diätologin hat man kein Thema mit Essen. Man weiß, was gesund ist und was ungesund, schreibt sich seine Ernährungspläne selbst, kann toll kochen und hat auch keine Gewichtsprobleme, denn gesundes Essen schmeckt lecker. Jeder kann durch gesunde Ernährung und Sport abnehmen und seine Stoffwechselwerte verbessern – man muss es nur richtig machen und konsequent dranbleiben.
In der ersten Zeit nach meiner Ausbildung dachte ich das auch. Ich beschäftigte mich mit den wissenschaftlichen Hintergründen jeder neuen Ernährungsform, hatte für jede und jeden einen passenden Ernährungsplan parat, überwachte die Umsetzung wie ich es gelernt hatte durch Messung der Körperzusammensetzung – und wenn die Klient*innen an der Umsetzung scheiterten, dann war es ihnen in meinen Augen derzeit nicht wichtig genug.
Um meine eigenen sportlichen Ziele zu erreichen, beschloss ich, 5 kg abzunehmen. Für mich als Sporternährungsberaterin war das auch nicht schwer. Doch mit der Zeit kletterte das Gewicht langsam zurück auf den Ausgangswert. „Ich war wohl zu undiszipliniert“, dachte ich mir, also zählte ich abermals Kalorien und Makronährstoffe und kam wieder auf mein Zielgewicht. Doch auch diesmal nicht dauerhaft… Kurzum, es wurde immer mehr Aufwand, mein Wunschgewicht zu halten, immer mehr Stress und Krampf. Die Selbstverständlichkeit beim Essen war weg, genauso wie der Genuss und die Lebensfreude. Auf Zügelung folgten Heißhungerattacken und ständige Lust auf Süßes. Und am Ende stellte ich auch meine eigene berufliche Kompetenz infrage: „Wenn ich es schon nicht kann, wie sollen es dann meine Klient*innen können?“.
Als ich mir beruflich und privat die Sinnfrage stellte, kündigte ich meinen Job und begann, mein Leben umzukrempeln. Statt Kraft- und Ausdauertraining nach Plan begann ich mit Yoga. Ich erlaubte mir wieder, alles zu essen, ohne Plan, ohne Kalorienzählen. Und ich gönnte mir Ruhephasen, wo ich auch „unproduktive“ Dinge wie Ukulele spielen, Romane lesen oder einfach in die Luft schauen konnte. Und siehe da: die Heißhungerattacken waren plötzlich weg. Essen war kein großes Thema mehr, sondern wieder leicht und unkompliziert. Und mein Gewicht ist bis heute stabil – ohne Diät und Ernährungsplan.
Wie Stress dein Essverhalten beeinflusst
Was war passiert? Ich hatte am eigenen Leib erfahren, was Stress mit unserem Essverhalten macht. Und dass Probleme mit dem Essen oft ganz von selbst verschwinden, wenn der Stress weniger wird.
Stressoren lösen bei Tieren und Menschen dieselben Hilfsmechanismen zur Mobilisierung von Energie aus, um die kommenden Anforderungen zu bewerkstelligen. Daran sind zwei Stresssysteme beteiligt:
1) Adrenalin regelt die kurzfristige Stressantwort und sorgt dafür, dass schnell Energie zur Verfügung steht.
2) Kortisol ermöglicht uns, über Tage und Wochen andauernde Stresssituationen zu überstehen.
In Zeiten von chronischem Stress, wie er heute weit verbreitet ist, kommt die Wirkung von Kortisol voll zum Tragen. Es bewirkt zunächst eine Ausschüttung der in den Körperzellen gespeicherten Energie, wodurch der Blutzucker steigt. Kortisol steigert den Hunger und unterdrückt die Sättigung, wodurch wir tendenziell mehr und energiereicher essen. Die Fettzellen besonders im Bauchbereich beginnen daraufhin, Energie zu speichern. Und unser Körper belohnt uns auch noch fürs Essen, indem er Glückshormone ausschüttet, die uns helfen zu entspannen.
Doch damit nicht genug. Im Stresszustand sorgt der Körper dafür, dass so viel wie möglich an Energie eingespart wird. Die Gehirnfunktion wird herabgesetzt und die Konzentration leidet. Der Verdauungsapparat wird weniger mit Blut versorgt, der Darm wird träge. Stresshormone im Darmbereich setzen die günstige Darmflora unter Druck, sodass diese mit der Zeit verschwindet. Die Folge davon: Gewichtszunahme, Reizdarm, Blähbauch und Unverträglichkeiten.
Wege aus der Stressesser-Falle
Mit dem Wissen um die Auswirkungen von Stresshormonen in unserem Körper ist dir vielleicht klarer, warum in einer stressigen Lebenssituation keine Ernährungsumstellung der Welt dauerhaft Erfolg bringt. Dein Körper arbeitet schlicht dagegen. Auch wenn ich gegen meine eigene Berufsgruppe der Ernährungstherapeuten rede, aber in dieser Situation solltest du dich vorrangig um deinen Stress kümmern.
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Beseitige das Ungleichgewicht zwischen der Erledigung von Anforderungen und deiner Erholung. Sorge für genügend Ich-Zeit.
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Lerne und übe Techniken, um mit Anspannung besser umzugehen. Das können sein: Atemübungen, Meditation, autogenes Training, Yoga oder kurze Bewegungspausen.
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Suche dir bzw. pflege deine Hobbys.
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Gehe regelmäßig hinaus in die Natur, beobachte und lausche.
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Auch wenn es noch so verlockend ist – vergiss Multitasking. Vor allem beim Essen solltest du nichts anderes parallel machen, nicht einmal Zeitung lesen.
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Stresse deinen Körper nicht zusätzlich mit Kalorienbeschränkungen und Verboten von ganzen Lebensmittelgruppen.
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Versuche nicht, besonders gesund zu essen und zu kochen. Erlaube dir, alle Lebensmittel als gleichwertig zu sehen und auch einmal einen einfachen, unkomplizierten Weg zu gehen (z.B. schnelle Nudeln mit Tomatensauce zu kochen).
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Lerne, deine Körpersignale wieder wahrzunehmen und reagiere darauf. Wenn du hungrig bist, iss. Wenn du müde bist, sorge für Erholung. Du darfst deinem Körper vertrauen, dass er dir die richtigen Signale sendet.
Ich bin davon überzeugt, dass sich auch dein Essverhalten verbessert, wenn du an deinem Stressmanagement arbeitest. Am besten, noch bevor du irgendeine Art von Ernährungsumstellung beginnst. Gerne unterstütze ich dich dabei, deine persönliche Strategie zu finden.